Kapitel 12 – Leben und Tod
Schon seit Stunden liege ich wach in meinem Bett. Immer wieder bin ich aufgewacht und dann konnte ich nicht mehr einschlafen. Meine Muskeln schmerzen von den Krämpfen, von denen ich in der Nacht gequält wurde. Ich seufze und kämpfe mich endlich unter Schmerzen hoch und schleppe mich ins Wohnzimmer. Langsam lasse ich mich aufs Sofa sinken und rolle mich zusammen. Mein Atem geht stoßweise. Wieder kriege ich einen Schmerzensschub. Ich krümme mich und stöhne. Ich habe das Gefühl, dass es noch nie so schlimm war. Als er vorbei ist stehe ich wieder auf. Langsam laufe ich auf und ab, in der Hoffnung so meine Muskeln etwas zu lockern. Auf einmal höre ich wie es an der Tür klingelt. Ich sehe auf. Ist das Raze? Ich bin mir nicht sicher ob ich ihn jetzt sehen will, ob er mich so sehen sollte in diesem Zustand. Einen kleinen Moment warte ich und überlege. Dann komme ich zu dem Schluss, dass ich ihn nicht einfach stehen lassen kann und das er eh nicht aufgeben wird, bis ich auf mache, also gehe ich zur Tür, ich öffne sie und erstarre. Aiden. Er steht da, mit einem fetten Grinsen im Gesicht und sieht mich zufrieden an. Ihm scheint es zu gefallen mich überrascht zu haben und mich leiden zu sehen. Mein Herz fängt an mir bis zum Hals zu schlagen und mich durchjagt ein nackenaufsträubender Schauer. Schnell schlage ich die Tür wieder zu, aber er ist schneller. Er stellt einen Fuß dazwischen und stößt die Tür mit einem Schwung wieder auf. Ich werde von der Wucht getroffen und stürze zu Boden. Alles um mich rum dreht sich. Ich sehe zu Aiden auf, der nun rein gekommen ist und mich schadenfroh ansieht. »Na? Geht es dir nicht gut? «, fragt er unschuldig. Er grinst mich an und tritt mir in die Seite. Ich zucke vor Schmerz zusammen und verziehe das Gesicht. »Wieso? « Zu mehr bin ich einfach nicht im Stande. Er lacht auf. »Wieso was? Wieso ich jetzt schon hier bin? « Er zuckt leicht die Schultern, beugt sich zu mir runter und sieht mir tief in die Augen. »Ich denke dass ich jetzt weiß wie ich einen Hybriden aus dir mache. «, sagt er und streicht mir mit einem Fingern leicht über das Gesicht. Ich drehe meinen Kopf weg, denn ich halte seine Berührung nicht aus. Meine Haut scheint unter ihm weg zu ätzen wie verbranntes Fleisch.
»Ich konnte einfach nicht warten, bis du dich mal erbarmst und zu mir kommst, also dachte ich mir, komme ich zu dir. «, erklärt er dann noch. Ich fange an unkontrolliert zu zittern.
»Bitte Aiden, nicht. « Mir bleibt nichts anderes übrig als ihn an zu flehen, auch wenn ich weiß das es nichts nützt, das hat es noch nie. Ich weiß nicht ob ich ein weiteres Mal mit ihm überstehe. Er lacht ein weiteres Mal niederträchtig. »Keine Angst, ich weiß wovor du dich fürchtest, aber du musst heute nichts tun, als alles über dich ergehen zu lassen. « Ich bin unweigerlich erleichtert, das heißt ich muss niemanden umbringen. Damit kann ich leben, oder auch sterben. Ich weiß nicht warum, aber ich spüre, dass heute mein letzter Tag sein wird, dass ich den Morgen nicht mehr erlebe, aber es stört mich nicht. Was würde ich hier schon zurücklassen? Nichts. Niemand würde mich vermissen. »Gut dann haben wir ja jetzt alles geklärt. «, sagt er ruhig, holt aus und schlägt mir mit voller Wucht auf den Kopf. Ich sacke ohnmächtig zusammen und knalle hart auf den Boden.
Ich komme wieder zu Bewusstsein. Mein ganzer Körper schmerzt und noch bevor ich meine Augen öffne, weiß ich wo ich bin. In der Gruft. Ich war schon so viele Male hier, dennoch weiß ich nicht wo sie sich befindet, denn ich bin nie im wachen Zustand hier her gekommen, aber ihren modrigen, alten Geruch würde ich überall erkennen. Zuerst sehe ich nur verschwommen und kann kaum etwas erkennen. Ich hänge von der Decke. Meine Hände sind mit Ketten an der Wand fest gemacht und meine Füße am Boden. Das ist neu, denn normalerweise liege ich auf einen Tisch. Mein Blick klärt sich allmählich etwas. Ich sehe Aiden mit den Rücken zu mir gedreht. Er sortiert Operationsinstrumente die auf einem Kleinen, silbernen Tisch vor ihm liegen. »Aiden. «, bringe ich nur schwach heraus. Er dreht sich um und lächelt mich mit einem verrückt wirkenden Lächeln an.
»Oh, gut du bist wach. « Er nimmt ein Messer von dem Tisch und geht auf mich zu, langsam dreht er es in seinen Fingern. »Soll ich dir von meinem kleinen Plan was dich an geht erzählen? «, fragt er mich überfreundlich. Er setzt die Klinge an mein Schlüsselbein an und schneidet leicht durch meine Haut es scheint fast beiläufig. Interessiert sieht er zu wie mein Blut in meinen Ausschnitt fließt. Ich kneife die Augen fest zusammen und bemühe mich keinen Ton von mir zu geben, dann sehe ich ihn wieder an und schüttele nur leicht den Kopf. Nein ich will es nicht wissen, es zu fühlen wird schon schlimm genug sein. Es schien nur eine rhetorische Frage gewesen zu sein, denn er fängt sofort an ungehindert zu erzählen: »Zuerst werde ich dich überall aufschneiden, dann werde ich Vampirblut durch deine Wunden fließen lassen. Hier und da werde ich dich mit Silber bestücken und dann mit Eisenkraut, um zu sehen ob es funktioniert. Abwechselnd werde ich dir Menschen – und Vampirblut zu trinken geben. « Langsam streicht er mit dem Messer durch meine Haut an der Schulter. Ich zucke leicht zusammen. »Dein Körper soll sich daran gewöhnen. «, sagt er dann noch. Er wirkt unglaublich ruhig. Endlich setzt er das Messer ab und ich entspanne mich etwas. Er streicht mit einem Finger über die blutverschmierte Klinge und leckt ihn ab. Ich finde es abstoßend, immer wieder macht er das, aber ich bin bis heute nicht dahinter gekommen warum, vielleicht wollte er auch ein Vampir sein. Ich sage nichts zu all dem. Aiden dreht sich wieder um, um das Messer zurück auf den Tisch zu legen, stattdessen sehe ich wie er eine Spritze nimmt, die mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt ist. Wieder kommt er auf mich zu, die Spritze immer noch in der Hand haltend. »Aber zuerst …«, fängt er an und rammt mir ohne Vorwarnung die Nadel direkt ins Herz. Ich keuche vor Schmerz auf und ringe nach Luft. Er spritzt mir die Flüssigkeit und zieht die Nadel dann wieder aus mir raus.
»Das ist Adrenalin, ich will ja nicht dass du mir wegstirbst. «, erklärt er locker und geht wieder zu seinem Tisch zurück. Ich kann spüren wie das Adrenalin durch meine Adern fließt und sich in meinem Körper verteilt. Aiden nimmt sich ein Skalpell und eine kleine Tüte mit einer roten Masse und geht wieder zu mir. Ohne lange zu zögern fährt er mit dem Skalpell quer über meinen Bauch und schneidet so auch mein Oberteil auf. Ich fange an zu schreien, denn anders als die kleinen Schnitte auf meinem Arm und Schlüsselbein ist dieser hier tief. Ich winde mich, versuche zu entkommen, doch es gelingt mir nicht. Er öffnet die Tüte und nimmt etwas von der Roten Masse und verteilt sie auf meiner Wunde. Es brennt wie Feuer. Mir kommen die Tränen und ich werfe den Kopf zurück.
Das Selbe macht er an meinen Armen, Beinen, meinem Gesicht und meinen Brüsten.
Ich habe das Gefühl zu verbrennen. Der Schmerz ist unmenschlich, nur das Adrenalin hält mich bei Bewusstsein. »Was ist das? «, schreie ich verzweifelt und versuche weiterhin vergebens mich frei zu machen. Er lächelt mich an und scheint sehr zufrieden mit sich. »Das ist das Vampirblut. Ich habe noch etwas Eisenkraut dazugegeben, damit es dicker wird. «, erzählt er sichtlich stolz über seine Idee.
Er wendet sich ab und holt Ketten. Ich vermute dass es Silber ist. Er legt sie mir um den Hals und um meine Handgelenke und Knöchel. Sofort fressen sie sich in mein Fleisch. Ich kann das zischen hören, von meinem unter ihn kochenden Fleisch. Ich gebe einen unmenschlichen Schrei von mir. »Aiden. Bitte. «, flehe ich ihn unter Tränen an, weiß aber, das es nichts nützt. Mein Herz rast, kämpft ums Überleben und meine Haut glänzt vor Schweiß. Er lacht laut auf, sonnt sich förmlich in meinem Leiden. Er geht auf mein Flehen nicht ein, stattdessen hebt ein Brenneisen hoch, an dessen Ende ein A steht. Zusätzlich holt er ein Feuerzeug raus, macht es an und hält es an das Brenneisen, währenddessen geht er um mich rum und mustert mich. »Weißt du. «, sagt er fast beiläufig.
»Wenn das hier klappt, gehörst du zu einer seltenen Rasse. Du solltest stolz sein! « Ich weiß was jetzt auf mich zukommen wird, aber ich bleibe ruhig. Mittlerweile habe ich mich an den Schmerz gewöhnt. Schlaff hänge ich da und verliere eine Menge Blut. Meine Wunden schließen sich nicht, wie sie es sonst immer tun, wegen dem Silber. Ich sage nichts, sehe ihn einfach nur an. Ich habe das Gefühl mich nicht mehr bewegen zu können. Aiden ist nun hinter mir, ich kann ihn dadurch nicht sehen.
Auf einmal spüre ich einen heißen Schmerz auf meinem Rücken, genau bei meiner Narbe. Er drückt das Brenneisen mit ganzer Kraft auf meine Haut. Ich schreie schmerzverzerrt auf und mache ein Hohlkreuz, doch er drückt es nur noch fester an mich. Ich merke wie sich das A in meine Haut brennt.
Das Eisen kühlt sich schnell ab, er nimmt es von mir und ich sacke erschöpft zusammen. Es schmerzt immer noch. Ich kann hören wie er das Feuerzeug ein weiteres Mal anmacht, wenn auch nur gedämpft. Ich werde immer schwächer und schwächer. Unter mir hat sich mittlerweile eine riesige Blutlache gebildet die in jeder Sekunde großer wird. Aiden kommt jetzt zu mir rum und hält das Eisen wieder in die Flamme seines Feuerzeugs, so wie ich vermutet habe. »Vater wäre stolz auf dich Schwester. Auf diesen Moment hat er sein ganzes Leben lang gewartet. «, sagt er liebevoll.
Ich sehe ihn erschöpft an. Trotz allem kann ich ihn nicht hassen. Er ist mein Bruder, die einzige Familie die ich habe, denn meinen Vater habe ich noch nie gesehen. »Wo ist er? «, frage ich kaum hörbar. Er kommt zu mir, steckt sein Feuerzeug ein und legt mir seine Hand an die Wange.
»Du wirst ihn bald kennen lernen. «, verspricht er. Dann stößt er mir das Brenneisen in die Seite.
Ich gebe einen erstickten Schrei von mir, denn er hält mir den Mund zu. Ich atme hektisch.
Er nimmt seine Hand von meinen Mund und schmeißt das Brenneisen achtlos zu Boden. Er geht zu dem Tisch und nimmt einen Blutbeutel und schneidet ihn mit einen der Messer auf. Mit dem offenen Beutel in der Hand geht er wieder zu mir und hält den Beutel vor meinen Mund, als würde er erwarten, dass ich von alleine anfange zu trinken. Sofort wende ich den Kopf ab. Ich will nicht das tun was er sagt und nicht werden was er aus mir machen will. Er rollt mit den Augen, als er merkt dass ich nicht vor habe zu trinken. »Gut dann anders. « Er hebt den Beutel an seinen Mund und nimmt selber einen Schluck. Ich kann nicht fassen was er dort macht und kann auch nicht nachvollziehen wieso. Er nimmt mein Gesicht mit einer Hand und dreht es zu sich. Ich kann mich nicht wehren, sein griff ist zu stark und ich bereits zu schwach um mich zu wehren, dann küsst er mich. Er hat das Blut nicht runter geschluckt, sondern im Mund behalten. Er drückt es mir in den Mund und ich fange wie aus Reflex an zu schlucken. Blut läuft an meinen Mundwinkeln herab und tropft dann zu Boden.
Als ich alles geschluckt habe, was er im Mund hatte, löst sich wieder von mir.
»Na siehste, geht doch. « Er wirkt sehr zufrieden. »Das ist nur Menschenblut. « sagt er, als wenn das die Sache besser machen würde. Er reicht mir wieder den Beutel und wieder wende ich den Kopf ab. Ich werde das sicher nicht freiwillig trinken. Er packt von hinten meine Haare, reißt meinen Kopf nach hinten und füllt dann meinen Mund mit dem Blut und hält ihn dann zu um mich zu zwingen zu schlucken. Ich kann nicht anders und tue was er von mir will. Wieder und wieder macht er das und wird dabei immer schneller. Ich verschlucke mich und fange an zu husten, dabei Spucke ich einen Teil von dem Blut was ich grade im Mund habe wieder aus. Aiden sieht mich wütend an, hebt das Brenneisen wieder auf und rammt es mir mit der dünnen Seite voran in den Unterleib. Ich gebe ein erschrockenes, stockendes Keuchen von mir und sehe ihn mit offenem Mund an. Er lässt das Eisen in mir, dreht sich um und macht etwas an dem Tisch. Um mich rum fängt es an Schwarz zu werden, denn die Wirkung des Adrenalins lässt langsam nach und ich lasse meinen Kopf nach vorne Fallen. Ich fühle mich wie betäubt und bin unfähig mich zu bewegen. Schwach nehme ich jemanden war, schaffe es aber nicht auf zu gucken, ihn zu erkennen. Mein Puls wird immer schwächer und ich kann spüren wie das Leben aus mir weicht. Etwas Schweres fällt zu Boden und der dumpfe Laut hallt durch die ganze Gruft. Mit aller Kraft schaffe ich es doch auf zu sehen und sehe Raze, wie er auf Aiden sitzt und auf ihn einprügelt. »Raze. «, ist das Einzige was ich fast lautlos hervor bringe, bevor ich ohnmächtig und mein Herz aufhört zu schlagen.