Kapitel 10 – Freundschaft
Es ist spät in der Nacht. Ich bin stark angetrunken und das muss was heißen, denn um einen Werwolf betrunken zu machen muss dieser mindestens dreimal, wenn nicht vier Mal so viel trinken wie ein normaler Mensch. Nach der Arbeit habe ich noch mit ein paar Kollegen gefeiert und dort ordentlich was weggetrunken, deswegen kann ich kaum noch gradeauslaufen und brauche auch eine Weile, bis ich meine Haustür endlich auf kriege. Ich bin zu betrunken um irgendetwas wahr zu nehmen, zu riechen, zu spüren, oder bei der Dunkelheit zu sehen. Ich stolpere in mein Wohnzimmer und beginne mich auf den Weg zu meinem Schlafzimmer aus zu ziehen. Es dauert nicht lange bis ich nur noch in Unterwäsche durch das Wohnzimmer wanke und mich immer weiter voran taste. Meine Sachen bleiben dabei wie eine Spur hinter mir liegen, ich kümmere mich aber nicht darum.
Ohne Vorwarnung kommt auf einmal eine Hand aus dem Nichts geschossen uns berührt mich an der Schulter. »Hey. «, höre ich eine Männerstimme sagen, die ich nicht einordnen kann. Ich zucke erschrocken zusammen und wirble herum. Mir entfährt ein erschreckter Schrei. Vor mir sehe ich eine dunkle Gestalt stehen, die ich nicht erkennen kann und ohne nachzudenken falle ich sie sofort an, wobei das Nachdenken in meinem Zustand auch nicht gerade viel gebracht hätte. Wir landen mit einem lauten Knall auf dem Boden. Ich sitze in Angriffshaltung auf dem Fremden und knurre ihn mit gebleckten Zähnen an. Die Gestalt ist einen kurzen Moment ruhig, wahrscheinlich zu überrascht um zu reagieren, aber dann fängt sie mit einem Mal laut an zu lachen. »Also das geht mir jetzt doch leicht zu schnell. Beruhige dich wieder, ich bin es nur. « Endlich erkenne ich ihn, oder besser, mein betrunkenes Ich. Ich kneife die Augen zusammen um klarer sehen zu können. »Raze? «, frage ich etwas dümmlich. Ich bleibe weiterhin auf ihm sitzen und sehe ihn an. »Ja genau der bin ich. « Ich runzle die Stirn. So langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit und ich kann ihn deutlicher erkennen. »Was machst du hier? « Ich sehe wie er verschwommen lächelt, es kann aber auch an dem Alkohol liegen, ich bin mir nicht ganz sicher in dem Moment.
»Ich habe auf dich gewartet. «
»Bis jetzt? «, frage ich ungläubig und muss hicksen. Er sieht mir tief in die Augen, als würde er darin etwas suchen. »Vielleicht bin ich auch eingeschlafen. «, gibt er zu. »Aha. « Es interessiert mich nicht wirklich was er hier macht, oder warum er noch hier ist, darüber kann ich mir auch noch morgen Gedanken machen. Ich gehe endlich von ihm runter und setze mich neben ihn, denn wenn ich jetzt versucht hätte auf zu stehen wäre ich garantiert umgekippt. Er setzt auf und wendet den Kopf in meine Richtung. »Hast du noch gefeiert? « Als wenn das nicht offensichtlich wäre.
»Ein Bisschen. « Selbst ich höre das ich stark lalle, es ist mir aber egal. Ich sehe ihn kurz noch mal an und kämpfe mich dann langsam auf und bleibe auf wackligen Beinen stehen. Ich drehe ihm den Rücken zu und versuche irgendwie ins Schlafzimmer zu kommen. »Wo hast du die her? «, höre ich ihn fragen. Ich drehe mich verwirrt zu ihm um. Wie kommt er nur auf die Idee mich in diesem Zustand etwas zu fragen? »Hm? « Er deutet auf meinen Rücken. »Deine Narbe. «
Ich erstarre. Mit einem Schlag bin ich wieder nüchtern. Ich sehe ihn mit einem harten, kalten Blick an. »Das geht dich nichts an. «, schnauze ich ihn an. Aus Reflex baue ich mir eine Mauer auf, aus Angst, er könnte noch weiter fragen. Er meint die Narbe, die von meiner Schulter, bis zu meiner untersten Rippe geht. Er hat sie wahrscheinlich gesehen, als ich mit dem Rücken zu ihm stand. Sie ist nicht zu übersehen. Ich habe sie schon lange. Zu lange. »Okay. « Er versteht meinen Blick richtig und fragt nicht weiter nach, wofür ich ihm im Inneren Danke. Ich drehe mich wieder um, gehe in mein Zimmer und lasse meine Mauer wieder fallen. »Du kannst heute hier bleiben. «, sage ich nur noch zu ihm und schließe dann die Tür hinter mir.
Ich öffne die Augen und bin sofort hellwach. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf geht ist, dass ich heute Spätschicht habe. Das heißt, ich kann ausschlafen und muss erst spät am Abend los, trotzdem stehe ich schon auf. Es ist noch nicht spät, grade mal früh am Morgen. Diesmal weiß ich noch das Raze da ist und ich habe nicht vor ihn die ganze Zeit alleine zu lassen, während ich hier liege und schlafe. Noch immer habe ich meine Unterwäsche an, die ich gestern nicht mehr ausgezogen habe. Kurz atme ich durch, dann suche ich meinen Morgenmantel und ziehe ihn mir über. So wie ich Raze kenne würde er einen Herzinfarkt bekommen, wenn ich halb nackt im Wohnzimmer rumlaufen würde. Bei dem Gedanken muss ich breit grinsen, spiele mit dem Gedanken, lass es dann aber sein und behalte den Morgenmantel an. Ich gehe rüber zu Raze ins Wohnzimmer und rieche ihn sofort, als ich den Raum betrete. Sein Geruch erfüllt das ganze Zimmer, ich brauche ihr aber nicht zu folgen, um zu wissen wo er liegt. Ich gehe zum Sofa und lehne mich über die Lehne. Er schläft noch friedlich, aber nicht mehr lange. Ich strecke meine Hand aus und stupse ihn mit dem Finger leicht an der Schulter an. »Raze? «, sage ich vorsichtig und stupse ihn ein weiteres Mal an, als er sich nicht rührt. »Raaaaaaze! « Endlich wird er wach und sieht sich verschlafen um. Als er mich entdeckt lächelt er sofort. »Morgen. « Er wirkt immer noch sehr verschlafen. Ich muss bei diesem Anblick automatisch zurück lächeln. »Morgen. Ich habe nicht viel zum Frühstück da. Du musst dich also zwischen alten Cornflakes entscheiden und ekligen Aufbackkäsebrötchen. « Er überlegt kurz und sieht mich dann fragend an. »Hast du Kaffee? « Ich sehe ihn entschuldigend an. »Nein leider nicht, nur Kakao. Ich hatte letztens so eine Schokophase. « Ich lehne immer noch über der Lehne und sehe ihn an. Für Besuch bin ich einfach nicht ausgestattet. »Hast du eine halbe Stunde bis Stunde Zeit? «, fragt er auf einmal. Ich kann sehen wie er mir in den Ausschnitt guckt, der praktisch genau auf seiner Augenhöre ist, aber nicht lange, denn er sieht schnell wieder weg. Er scheint selber geschockt darüber zu sein und ein schlechtes Gewissen zu kriegen, denn er sieht mir stattdessen in die Augen. Mir macht das nichts aus, denn das macht jeder Mann. Für mich heißt das noch lange nicht, das er pervers ist oder dergleichen. Ich bin das gewöhnt. »Wieso? «, frage ich lieber vorher nach, bevor ich zusage. Er lächelt schief und scheint zu ahnen warum ich nicht gleich Ja sage. »Würdest du mit mir frühstücken gehen? « Ich antworte schnell, denn gegen Frühstück habe ich nichts und ich habe das Gefühl gleich zu verhungern. »Ja klar. « Ich richte mich auf. »Ich geh mich nur schnell umziehen. « Ich drehe mich um und verschwinde im Bad. So schnell wie möglich suche ich mir ein paar Sachen zusammen, wasche mich und ziehe mich an, dann fahre ich noch schnell mit der Zahnbürste über meine Zähne und gehe wieder ins Wohnzimmer. Ich bin mir sicher dass ich noch nie so kurz im Bad gebraucht habe, auch wenn ich generell nicht lange brauche, im Gegensatz zu anderen Frauen. Raze wartet schon an der Tür, fertig angezogen und startklar. Ich nehme noch schnell meine Tasche vom Harken und gehe dann zu ihm. »Okay, ich bin soweit. « Er nickt nur und lächelt. »Gut. « Dann machen wir uns auf den Weg.
Wir kommen rein. Eine gefühlte Ewigkeit hat es gedauert, bis wir uns auf einen kleinen Bäcker mit integriertem Café geeinigt haben. Ich setze mich an einen Tisch am Fenster und er mir gegenüber. Es dauert nicht lange bis jemand kommt und uns die Speisekarten bringt. Ich sehe in meine und gucke mir das Angebot an. Schnell habe ich etwas gefunden, lege die Karte weg und warte darauf, dass Raze sich entscheidet. Auch er legt relativ schnell die Karte beiseite und kurz darauf kommt die Bedienung. Es ist eine Blondine mit einem schlanken Körper und stark geschminkten Gesicht. Nicht gerade hässlich. Sie dreht sich zu mir und lächelt mich freundlich an. »Was möchten sie? «, fragt sie mich. Ich sehe ihr ins Gesicht und lächle sie halbherzig an. »Eine doppelte Portion Pfannkuchen mit extra viel Sirup und einen Becher Kakao. « Sie schreibt sich schnell alles auf, dreht sich dann zu Raze um und sieht ihn fragend an und wartet ebenfalls auf seine Bestellung. »Einen Kaffee und das große Frühstück bitte. «, sagt er, würdigt der Bedienung aber keines Blickes, stattdessen sieht er mich an und lächelt. Er beachtet die Bedienung noch nicht einmal dann, als sie sich verabschiedet und mit schwingenden Hüften davon rauscht. Jeder normale Mann hätte sie erst einmal abgecheckt, doch er nicht. Ich muss zugeben dass ich leicht verwirrt darüber bin und es kommt nicht oft vor, dass ich einen Mann nicht verstehe. Ich sehe ihr kurz nach und sehe dann zu Raze. »Sie ist heiß. «, stoße ich ihn mit der Nase darauf, falls er wirklich einfach nur Tomaten auf den Augen hat. Er runzelt die Stirn und scheint gar nicht zu wissen was ich überhaupt meine. »Echt? « Seine Verblüfftheit ist deutlich zu hören. Er dreht sich um, doch von der Bedienung ist nichts mehr zu sehen, dann dreht er sich wieder zu mir und zuckt die Schultern. »Hab ich nicht mitbekommen. «, gibt er zu. Ich kann das nicht glauben und sehe ihn skeptisch an. »Aber Männer achten doch für gewöhnlich auf so was. « Er legt den Kopf leicht schief und grinst.
»Tja, ich bin halt nicht normal, aber das du darauf geachtet hast sollte uns zu denken übrig lassen. «
»Na das haben wir ja schon gemerkt. « Ich verziehe dabei keine Miene und zucke locker mit den Schultern. »Was soll ich sagen? Ich war noch nie wählerisch. « Und es ist noch nicht einmal gelogen. Ich hatte schon oft etwas mit Frauen und es hat Spaß gemacht, sogar mehr als mit so manchem Mann. Er lacht darüber leicht und nickt dann. »Alles klar. « Es wundert mich, dass er nichts weiter dazu sagt. Ich hätte eher mit einem blöden Spruch gerechnet, aber es kommt nichts.
Die Bedienung kommt jetzt wieder und bringt uns unser Essen und Trinken. Wir bedanken uns und Raze achtet wieder nicht auf sie. So langsam glaube ich er macht das mit Absicht. Er sieht auf sein Essen, nimmt ein Beagle und beißt davon ab. »Bist du schwul? «, frage ich direkt und fange ebenfalls an zu essen. Ich sehe ihn interessiert an. Es würde mich nicht wundern wenn er es wäre. Ich meine, seit wir uns kennen habe ich noch nie gesehen dass er irgendwie Interesse an einer Frau gezeigt hat, nur mir hängt er die ganze Zeit an den Versen und das konnte auch andere Gründe haben. Er sieht mich mit großen Augen an und schüttelt schnell den Kopf und schluckt runter. »Ne, das wüsste ich. « Er wirkt merkwürdig ruhig, dafür dass ich ihm grade unterstellt habe schwul zu sein, aber ich gehe darauf nicht sein. »Achso. Ich dachte nur. Du scheinst mit Scheuklappen durch die Welt zu laufen. «
Er schüttelt erneut den Kopf. »Im Normalfall bin ich anders. Es ist nur so, dass mich arschwackelnde Barbiepuppen einfach nicht interessieren. « Er deutet nach hinten, wo eben noch die Bedienung lang gelaufen ist. Also hat er sie doch angeguckt, sonst würde er das nicht wissen. Aber den Fehler in seiner Antwort erkenne ich trotzdem schnell und muss lachen. Ich schiebe mir noch eine Gabel mit Essen in den Mund und kaue schnell auf um weiter zu reden.
»Aber Schlampen interessieren dich ja? « Ich weiß dass ich kein Unschuldslamm bin und ich stehe dazu, deswegen finde ich es ziemlich unglaubwürdig, wenn er so was sagt und dann mit mir umhängt. Raze sieht sich suchend um. »Ich sehe keine. « Er isst seinen Beagle unbekümmert weiter. Ich grinse ihn an. »Wie nobel von dir. « Es ist schön, dass er mich nicht so sieht, oder es vermutlich nur nicht zugibt, trotzdem finde ich, dass er mich nicht so mit Samthandschuhen anfassen sollte. Ich bin nun mal wer ich bin und er kann es nicht ändern und er sollte den Teil, der ihm nicht gefällt nicht einfach so ausblenden. »Und wie kommst du zu der Annahme dass du eine bist? «, fragt er mich, nimmt ein Brötchen, belegt es und beißt dann davon ab. Ich sehe ihn an und esse ebenfalls weiter. »Was ist für dich denn eine Schlampe? «, will ich erst einmal von ihm wissen. Er überlegt einen kleinen Moment. »Schwierige Frage. « Er beißt noch ein paarmal von seinem Brötchen ab, ehe er mir antwortet. »Kennst du House of Night? « Ich runzle verwirrt die Stirn. Was will er?
»Sollte ich denn? « Er schüttelt sofort den Kopf. »Nein, aber so wäre es leichter gewesen dir deine Frage zu beantworten. «
»Dann versuch es halt anders. « Ich warte auf eine Antwort mit der ich auch etwas anfangen kann. Er lacht leicht. »Na ja, wenn man mehrere Typen gleichzeitig am Start hat und wenn der Altersunterschied zu groß ist. Man kann es auf viele Arten sehen. «, versucht er zu erklären.
»Und was ist da der Unterschied zu mir? « Ich bin gespannt was er sich einfallen lässt und sehe ihn interessiert an. »Sag bloß du machst mit Opis rum. «, ist das Einzige was er dazu sagen. »Was sind denn für dich Opis? «, stelle ich ihm eine Gegenfrage. »So ab, na ja, sagen wir mal 65 aufwärts. «
»Hm, na dann ist es schwer zu sagen. « Ich überlege ernsthaft und gehe alle Männer durch mit denen ich etwas hatte, oder besser die an die ich mich erinnern kann. »Ich weiß für gewöhnlich nicht wie alt sie sind. «, fange ich an zu erklären. »Aber wenn sie noch gut in Schuss sind wüsste ich nicht warum nicht. «, bringe dann ich zu ende. Ich will ihm klar machen auf was er sich da einlässt. Wie ich bin und was ich früher, oder immer noch so treibe, oder mit wem. Er reagiert anders als ich gedacht hätte, denn er nickt nur und lächelt schief. »Gute Einstellung. « Ich lege verwirrt den Kopf schief. Er weiß echt nicht was er will. »Findest du? « Er zuckt die Schultern als wäre es das normalste auf der Welt.
»Ja schon. Jeder wie er will. «, sagt er und lächelt dabei immer noch. Ich kann ein leichtes Lachen nicht zurückhalten. »Also findest du es gut dass ich eine Schlampe bin? « Er lacht ebenfalls leicht. Entweder findet er es wirklich in Ordnung, oder er kann es verdammt gut überspielen. »Gut nicht im Sinne von Super, aber wärst du ein Mann, würden dich viele als Vorbild sehen. Ich persönlich finde es ist jedem sein Ding, wann, wo und mit wem er intim wird. Wenn es einen selber nicht stört das man ein abwechslungsreiches Sexleben hat ist doch alles im grünen Bereich. « Er isst sein letztes Brötchen auf und fegt dann die Krümel von seinem Schoß. Ich höre ihm die ganze Zeit aufmerksam zu und versuche zu verstehen was er sagt. »Aha, gut zu wissen, aber trotzdem. Du hast mir meine Frage nicht beantwortet. Du meinst für Barbies interessierst du dich nicht, aber für mich schon. Ich meine: du klebst mir förmlich am Arsch. Wie kommt’s? « Ich habe nicht vor das Thema einfach fallen zu lassen, wenn es sein muss kann ich sehr hartnäckig sein. »Keine Ahnung. Ich mag dich einfach. « Ich beuge mich leicht über den Tisch zu ihm rüber. »Wieso? Von der ersten Sekunde an in der du mich noch nicht einmal kanntest? Wohl kaum! Für gewöhnlich machen das nur Männer der einen Sorte. «
Ich weiß dass er schon versteht was ich für Männer meine, er ist schließlich auch nicht auf den Kopf gefallen. »Du kannst es mir ruhig sagen. Jetzt sind wir ja schließlich so was wie Freunde. « Ich mache eine kurze Pause. Ich habe das nicht einfach so gesagt, ich denke so wirklich. Ich kenne ihn noch nicht lange, aber er ist nett und scheint ein anständiger Kerl zu sein. Er ist der Einzige seit langem, mit dem ich so viel Zeit verbracht habe, abgesehen von Lucas. Er kommt der Definition Freund von allen am nächsten und ich würde mich nicht wundern, wenn ich ihn in einem Jahr immer noch an der Backe habe, also rede ich weiter: »Und wenn du wirklich DAS willst, dann finde ich hast du dich genug ins Zeug gelegt und wir können das schnell hinter uns bringen. « Ich meine das Angebot ernst. Lieber sagt er mir jetzt was er will, anstatt ich es sehr viel später rauskriege, wenn ich anfange ihn zu mögen. Wir beide wissen was ich meine, aber ich hätte ihm nicht Sex angeboten, wenn ich nicht hundert prozentig wüsste, dass er Nein sagt. Bei anderen würde das vielleicht anders aussehen, aber er würde nicht mal im Traum daran denken, das weiß ich. Mittlerweile ist er mir auf der Hälfte des Tisches entgegen gekommen und sieht mir tief in die Augen. »Ich will nicht nur DAS. «, beteuert er zum gefühlten hundertsten Mal und atmet tief durch. »Deine Augen, ich weiß nicht. Ich finde sie schön. Deshalb bin ich dir gefolgt. Ja und dann warst du so abweisend und ich fand es lustig dir auf den Wecker zu gehen. Und ich musste feststellen dass ich dich verdammt mag. « Er lächelt wieder schief. Ich muss lachen als ich das mit meinen Augen höre. Das hört sich einfach zu abgedroschen an. »Ist das dein Ernst? Meine Augen? « Ich verstumme aber sofort, als ich höre was er noch sagt. Klar, das wusste ich vorher schon, sonst würde er nicht so viel Zeit mit mir verbringen wollen, aber trotzdem. Es löst in mir ein seltsames Gefühl aus. Ich bringe nur ein gehauchtes: »Danke. «, raus. Danke dafür dass er mich mag, auch nach all dem was ich ihm grade erzählt habe. »Ja es ist mein Ernst. «, versichert er mir und runzelt wegen dem `Danke. ´ nur die Stirn. Ich weiß dass er nicht weiß was er damit anfangen soll und ich mache ihm auch keine Vorwürfe. Ich lehne mich wieder zurück und sehe auf meinen Teller. Ich sage dazu nichts mehr und esse schnell den Rest von meinen Pfannkuchen auf. Raze tut es mir nach, mit dem Unterschied, dass er die ganze Zeit über vor sicher her grinst. Ich habe schnell aufgegessen und schiebe dann meinen leeren Teller weiter nach hinten. Ich lehne mich zurück und sehe Raze an. »Satt? «, fragt er mich. Ich nicke und lege mir eine Hand auf den Bauch. »Jupp, und fett wahrscheinlich auch. « Ich mache mir nicht wirklich Gedanken darüber. So was kann ich mir erlauben. Ich könnte wahrscheinlich ganz McDonalds aufessen und dabei immer noch gut aussehen, ohne jetzt selbstverliebt klingen zu wollen. »Das glaub ich kaum. « Ich sehe auf meinen Teller, dann wieder auf zu ihm und grinse. »Meinst du die waren fettarm? « Er schüttelt bestimmt den Kopf. »Das bezweifle ich doch stark. «
»Ja das befürchte ich auch, na ja, egal. « Raze sieht mich genau an, als ich das sage. »Wann musst du wieder arbeiten? «, will er auf einmal wissen. Ich habe nicht mit der Frage gerechnet und sehe ihn einen Moment perplex an. »Sag bloß du willst heute schon wieder irgendetwas machen. « Ich kriege etwas Angst. Ich bin immer noch erschöpft und habe so gar keine Lust jetzt irgendetwas mit ihm zu machen. Er lächelt schief.
»Kommt drauf an wann du arbeitest und was mir auf die Schnelle einfällt. «, erklärt er. Ich sehe ihn vorsichtig an. »Muss ich Angst haben? «
»Nein ich denke nicht. «, erklärt er wenig überzeugend.
»Ich habe Spätschicht, muss also erst abends wieder los. «
»Okay, du darfst aussuchen was wir machen. « Er meint das wirklich ernst, dass sehe ich an seinem abwartenden Blick. Wie kann man nur so viel Tatendrang haben? Es ist mir ein Rätseln.
Ich sehe ihn wehleidig an. »Willst du nicht irgendwann mal nach Hause? « Ich will ihm nicht gleich sagen, dass ich immer noch kaputt bin, deswegen versuche ich es erst so und hoffe, dass er darauf anspringt. »Ja schon, nachher. «, antwortet er, mustert mich eingehend und lächelt dann schief.
»Du willst mich loswerden. «, stellt er fest. Ein Blitzmerker. Aber er scheint darüber nicht grade geschockt zu sein. Ja, ich will ihn loswerden, aber nicht weil ich ihn nicht mag, nicht mehr. Ich will heute einfach nur für mich sein. »Ja, nein. « Ich weiß nicht wie ich anfangen soll. »Es ist nur so: ich bin immer noch fertig von gestern. « Es hat eh keinen Sinn, etwas anderes würde er ja sowieso nicht gelten lassen. »Ich bin froh dass ich heute nicht so viel arbeiten muss, ich will einfach nur zu Hause rumgammeln. « Ich frage mich, warum ich mich überhaupt verteidige. Ich muss mich nicht mit ihm treffen und selbst wenn ich nur einfach keine Lust hätte, ich hätte das Recht es ihm zu sagen, aber ich schiebe diesen Gedanken schnell wieder beiseite. Es hat kein Sinn darüber nach zu denken, nicht bei ihm.
Er nickt und sieht mich verständnisvoll, fast bemitleidend an. Wie ich diesen Blick hasse.
»Okay, dann ein anderes Mal. « Ich bin erleichtert. »Danke. «, sage ich nur, denn mir fällt nichts ein was ich jetzt noch sagen könnte. Er sagt auch nichts mehr. Mit einer leichten Handbewegung winkt er nur noch einmal die Bedienung ran und bezahlt für uns beide. Wieder sieht er sie kaum an. Er beachtet mich auch nicht mehr, sondern trinkt nur seinen Kaffee. »Du hättest nicht für mich bezahlen müssen. «, wende ich ein und mustere ihn genau. Jetzt sieht er mich wieder an. »Aber ich habe dich eingeladen. « Ich zucke die Schultern. »Ja, na und? Das hier ist kein Date. «
Er lächelt kurz und sieht mich dann fragend an. »Ich weiß, aber ist es so schlimm, dass ich für dich bezahlt habe? « Ich lächle ebenfalls. »Na ja, ich mache gerne alles selber. Starke Frau und so was. « Aber es ist wirklich so. Ich lasse mich nicht bevormunden und wir sind nicht auf einem Date, also muss er nicht zahlen. Ich kann es nicht leiden wenn etwas geschenkt ist, jedenfalls wenn es um so was geht. Ich arbeite ja schließlich nicht um sonst. Er lächelt sein schiefes Lächeln. »Tja, jetzt ist es zu spät. « Ich sehe ihn herausfordernd an, nicht weil ich es so ernst nehme, sondern weil es mir Spaß macht mit ihm zu diskutieren. »Nein, ich könnte dir das Geld zurückgeben. «
»Das will ich aber nicht. «
»Ist mit egal was zu willst. « erwidere ich frech, meine es aber nicht so. Um ehrlich zu sein ist es mir sehr wichtig, vielleicht sogar schon zu wichtig.
»Und wie willst du es mir zurückgeben, wenn ich es nicht annehme? «
»Ich muss es dir ja nicht mit Geld zurückzahlen. « Ich weiß dass er es auch falsch verstehen kann und das ist es auch was mich reizt. Ich sehe ihn aufmerksam an und warte auf seine Reaktion. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. »Ach, und wo mit? « Ich kann spüren was er denkt und muss lächeln.
»Womit zu willst. «, antworte ich ihm und zwinkere ihm zweideutig zu. Er überlegt kurz. »Ich komme darauf zurück. « Ich bin leicht enttäuscht. Eigentlich habe ich mir mehr davon erhofft, habe aber keine Lust das jetzt weiter auszubreiten und stehe auf. »Ja, mach das. Ich werde jetzt nach Hause. «, Er bleibt sitzen und nickt mir zu. »Okay. Bis dann. « Ich bin leicht überrascht das das so schnell geht, beschwere mich aber nicht, drehe mich um, öffne die Tür und verschwinde nach Draußen, ehe er es sich noch mal anders überlegen kann.