Kapitel 15 – Verletzte Gefühle
Von einem penetranten Klingeln werde ich geweckt. Ich sehe auf meinen Wecker. Grade mal eine Stunde habe ich geschlafen. Ich stöhne genervt, als es noch mal Klingelt. »Ich komme ja schon. «, rufe ich gleichgültig. Ich kämpfe mich vom Bett hoch und ziehe meine Sachen zurecht. Ich habe eine graue Jogginghose und ein weißes Shirt von Lucas an, was er mal bei mir vergessen hat und was ich seit dem als Schlaf-Shirt benutze. Verschlafen stolpere ich zur Haustür und mache sie auf. Raze steht vor mir, ich kann ihn allerdings kaum erkennen, da ich immer noch etwas verschwommen sehe. Ich reibe mir die Augen. »Was machst du hier? «
»Hast du mit Lucas geschlafen? «, fragt er sofort. Seine Stimme ist gepresst und ich höre dass etwas nicht stimmt. Ich bin überrascht von der Frage und ich bin noch zu müde um richtig zu schalten. Ich runzle nur die Stirn und frage perplex: »Was? « Ich sehe etwas klarer und ich kann Raze genauer erkennen. Er sieht mich an wie ein angeschossenes Reh und wieder holt das von eben, als wäre ich bescheuert: »Hast du mit Lucas geschlafen? « So langsam sickert die Information bis zu meinem Gehirn und ich begreife endlich. Woher weiß er dass ich mit Lucas geschlafen habe? Er kann es unmöglich gerochen haben, er war schon so aufgebracht, als ich die Tür aufgemacht habe. »Ähm, na ja, ja. «, stammele ich. Unbeholfen streiche ich über meinen Arm. Ich bin mit der Situation überfordert und weiß nicht so recht was er von mir will. »Woher weißt du das? « Er sieht mich verletzt an und weicht einen kleinen Schritt von mir zurück. »Von ihm. « Lucas hat es ihm erzählt? Aber warum? Ich gehe einen Schritt auf Raze zu. »Raze, es tut mir leid, aber… « Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ach Scheiße, warum musste er es auch erfahren? Raze weicht einen weiteren Schritt zurück, aber diesmal gehe ich ihm nicht nach. Es tut weh, dass er vor mir zurückweicht. Er schüttelt abwehrend den Kopf. Er will meine Entschuldigung nicht hören. »Nicht! « Ich höre wie er tief durchatmet und dann weiter redet. »So viel zum Thema er ist wie ein Bruder für dich, was? « Er sieht mich fragend an und bewegt sich dabei nicht vom Fleck. »Sag mir, warum ausgerechnet er? «, will er wissen.
»Er IST wie ein Bruder, wir sind nur Freunde. «, beteuere ich. »Ich weiß ja selber nicht warum ich das gemacht habe. Ich brachte Ablenkung von all dem und er war halt da. « Ich merke selber wie bescheuert es sich anhört, aber was soll ich denn sonst sagen? So was es nun mal. Das was ich gemacht habe hatte nichts mit Gefühlen zu tun. Raze schnaubt verächtlich. »Ja klar. « Er wendet sein Gesicht von mir ab. »Natürlich war er da, der Stecher in Not. « Ich atme tief durch um erst mal zu verdauen was er grade gesagt hat. »Ich weiß das ist Scheiße für dich, aber ich habe dir doch gesagt dass ich dich nicht liebe. Das mit Lucas hatte nichts mit Gefühlen zu tun, davon abgesehen kann ich schlafen mit wem ich will. Ich bin dir gegenüber zu nichts verpflichtet. « Ich sehe ihn entschuldigend an. Das was ich gesagt habe ist hart, aber es musste gesagt werden. Er muss einfach wissen dass ich nicht immer auf seine Gefühle achtgeben kann. Sein trauriger und verletzter Blick trifft mich wie ein Schlag. »Ich kann damit umgehen, dass du meine Gefühle nicht erwiderst und dass du mit irgendwelchen Schwachmaten schläfst, das ist zwar Scheiße und tut weg, aber es ist Okay. aber nicht Lucas, denn das ist einfach pure Qual. «Ich schürze die Lippen. Es tut mir ja leid, aber was soll ich denn machen? Nichts! »Wenn es nach mir ginge hättest du das auch gar nicht erfahren, aber es ist jetzt nun mal passiert. Ich kann es nicht wieder rückgängig machen. « Er nickt leicht, sieht mich aber immer noch nicht an. »Mir wäre es auch tausendmal lieber gewesen wenn ich das nie erfahren hätte. « Ich seufze frustriert und reibe mir mit der Hand über die Stirn. »Es war nur Sex, Raze. Ich habe ihn ja nicht geheiratet. Du brauchst dich deswegen nicht so aufzuregen. Ich sehe das so, Lucas sieht es so und sein Betthäschen auch. Es gibt also keinen Grund verletzt zu sein. « Ich meine es nicht böse, aber ich will mich nicht rechtfertigen müssen, denn ich habe nichts Verbotenes gemacht, nicht wirklich. Er schüttelt den Kopf. »Ja, zuerst ist es nur Sex und dann? Dann ist es wieder nur Sex und eh man sich versieht ist es eben nicht mehr nur Sex. « Endlich sieht er mich wieder an. »Und doch es gibt einen Grund verletzt zu sein. Du wusstest was ich für dich empfinde und wie sehr ich Lucas verabscheue und trotzdem hast du mit ihm geschlafen. Ich habe also jedes Recht verletzt zu sein. «
»Für mich ist es aber nicht mehr als Sex und wird es auch nie sein. Das war eine einmalige Sache. Muss ich denn wirklich für etwas gestraft werden was du fühlst? Nein. Und du hast ja noch nicht mal einen Grund ihn zu hassen, du kennst ihn noch nicht mal. « Langsam werde ich wütend. Ich lasse mir nicht gerne ein schlechtes Gewissen einreden. »Was hätte ich denn machen sollen? Wärst du dagewesen hätte ich vielleicht mit dir geschlafen, aber zu bist ja sogar zu feige um mich überhaupt anzufassen und DAS ist wahrscheinlich auch dein Problem, dass ich mit Lucas und nicht mit DIR geschlafen habe. Tja Pech. « Ich weiß nicht ob ich mit meiner Vermutung Recht habe, es ist mir aber auch egal. »Selbst wenn ich dagewesen wäre hätte ich nicht mit dir geschlafen, weil ich das Gefühl gehabt hätte ausgenutzt zu werden und das wäre genauso Scheiße gewesen. Und das ich dich nicht anfasse liegt daran, dass ich Angst habe dann etwas zu tun was ich bereuen würde. Ich verlange ja nicht, dass du auf Sex verzichtest, nur halt auf Sex mit IHM, denn ich habe durchaus den besten Grund der Welt ihn zu hassen. « Er geht ein paar Schritte zurück. »Ist doch sinnlos darüber zu diskutieren. « Er sieht mir tief in die Augen. »Wie heißt es so schön? Man soll es beenden bevor es angefangen hat. «, dann dreht er sich um und geht mit gesenktem Kopf die Straße lang, weg von mir. Ich stehe wie versteinert da und starre ihm nach. Ich bin unfähig noch etwas zu sagen, geschweige denn ihm hinterher zu rufen. Erst jetzt merke ich dass mein Herz rast und ich am ganzen Körper zittere. Was ist nur grade passiert? Was habe ich da gesagt?
Erst als er außer Sichtweite ist schaffe ich es wieder mich zu bewegen. Ich schlucke, dann drehe ich mich um und gehe zurück ins Haus. Ich setze mich dort aufs Sofa und bleibe so eine Weile sitzen. Ich denke über das eben nach. Natürlich weiß ich, dass das was ich gesagt habe nicht richtig war. Nach einiger Zeit stehe ich auf und gehe wieder in mein Schlafzimmer. Egal was ich mache, es muss bis morgen warten. Schon jetzt fallen mir wieder die Augen zu und ich muss selber erst einmal verkraften was ich gemacht habe, aber ich werde auf jeden Fall zu ihm und das klären. Ich lasse mich aufs Bett fallen und kuschle mich in meine Decke. Obwohl ich so müde bin dauert es lange bis ich endlich einschlafen kann.
Am Nächsten Morgen liege ich wach im Bett. Schon seit Stunden bin ich wach, schaffe es aber einfach nicht auf zu stehen. Ich weiß dass ich zu Raze muss, das bin ich ihm schuldig und ich will ihn nicht verlieren, allein daran zu denken versetzt mir ein Stich ins Herz. Es tut weh was er gesagt hat und ich kann mir vorstellen wie weh es ihm dann erst getan haben muss, als er rausbekommen hat, das ich mit Lucas geschlafen habe. Er muss mich wirklich lieben. Es ist ein merkwürdiges Gefühl es überhaupt zu denken. Hat mich denn überhaupt schon mal jemand geliebt? Nein, man hat mich immer nur ausgenutzt, mehr nicht. Kann ich ihm den vertrauen? Aber was denke ich überhaupt darüber nach? Es ist Raze, er würde mir nie wehtun. Ich stehe endlich auf und mache mich fertig. Ich bin fest entschlossen zu ihm zu gehen und egal was passiert, ich werde damit fertig. Ich rede mir das immer und immer wieder ein, aber leider brachte es nichts, denn ich versagte.